Bistorta - Sichtung

Bistorta amplexicaulis-Sichtung

Informationen zur Bistorta amplexicaulis-Sichtung

Bistorta amplexicaulis – eine Flut hoch bewerteter Sorten

Die Sichtung umfangreicher Staudensortimente folgt einem bewährten Ablauf. Nach Aufpflanzung der erhältlichen Sorten in Weihenstephan erfolgt die Überprüfung der Sortenechtheit, was im Falle des Bistorta amplexicaulis-Sortiments (Synonym Persicaria amplexicaulis) unter Mitarbeit von Chris Ghyselen, Coen Jansen, Nadiya Siebert-Panchenko, Christian Kress, Christian Maier, Maria Ell, Cassian Schmidt, Ulrike Leyhe und Bernd Hertle im Sommer und Spätsommer 2013 geschah. Die korrekt benannten Pflanzen werden daraufhin in einem Mitgliedsbetrieb des Bunds deutscher Staudengärtner vermehrt. So wanderten die sortenechten Kerzenknöteriche, insgesamt über 40 verschiedene Varianten, im Herbst 2013 in die Gärtnerei Zillmer nach Uchte. Bereits vor Aufpflanzung des Sortiments an den verschiedenen Sichtungsstandorten werden im Arbeitskreis Staudensichtung jeweils die Prüfkriterien erörtert und beschlossen. So wurden für Bistorta amplexicaulis Überwinterungsverhalten, Standfestigkeit, Blütenschmuckwirkung, Reichblütigkeit, Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten und Schädlinge, Vitalität und Gesamteindruck als Boniturmerkmale festgelegt. Nach Pflanzung im Jahr 2014 sowie der darauf erfolgten dreijährigen Prüfung der Kerzenknöteriche an den Sichtungsstandorten Bernburg, Erfurt, Hohenheim, Oeschberg, Wädenswil und Weihenstephan werden die Ergebnisse der einzelnen Standorte zusammengetragen und verrechnet. Die Gesamtwerte sind Grundlage für die Bewertungsvorschläge, die in den jährlichen Koordinierungssitzungen des Arbeitskreises abschließend diskutiert und meist bestätigt werden. Sorten, die über 80% der erreichbaren Punkte erzielen, erhalten die bestmögliche Bewertung. Da die prozentuale Bewertungsgrundlage stets dieselbe ist, ermöglicht die Staudensichtung nicht nur den Vergleich des Garten- und Verwendungswerts der Formen innerhalb eines Sortiments, sondern erlaubt auch vage Quervergleiche zwischen verschiedenen Sortimenten. Während beispielsweise die Begutachtung großblumiger Herbst-Astern (Aster novi-belgii und Aster novae-angliae) aufgrund von Krankheitsanfälligkeit oder mangelnder Standfestigkeit keine einzige 3-Sterne-Sorte hervorbrachte, waren es bei der Prüfung von Bistorta amplexicaulis gleich 20 Sorten, die im September 2017 als „ausgezeichnet“ eingestuft wurden! Die Flut hoch bewerteter Formen ist ein deutlicher Fingerzeig, dass es ein Ensemble zahlreicher überaus wüchsiger, wenig krankheitsanfälliger Kerzenknöteriche gibt, welches sich in der Verwendung als weitgehend unproblematisch erweist. Es umschließt gleichermaßen standfeste wie ansprechend wirkende Sorten, die reich und überaus lange blühen. Es erscheint daher wenig verwunderlich, dass Kerzenknöteriche seit einigen Jahren immer mehr ins Blickfeld von engagierten Pflanzenverwendern geraten sind, zumal sie nur wenig Pflege verursachen und trotz intensiver Züchtungs- und Auslesetätigkeit während der letzten fünfzehn Jahre ihren natürlichen Charme weitgehend bewahrt haben. Natürlich lässt sich fragen, ob es innerhalb eines Sortiments eine derart hohe Zahl hoch dekorierter Sorten braucht, wenn doch das derzeitige Angebot der meisten Staudengärtnereien gerade mal einen Bruchteil der Sortenvielfalt offeriert. Es ist jedoch nicht Aufgabe der Staudensichtung, ein übersichtliches Standardsortiment zu schaffen, vielmehr geht es dem Arbeitskreis um eine möglichst objektive und nachvollziehbare Prüfung von Sorten auf ihre Verwendungstauglichkeit in Gärten und anderen Grünanlagen.

Informationen zur Pflanzengruppe

Natur und Kultur

Den Florenwerken Nepals, Pakistans und Chinas ist zu entnehmen, dass es sich bei Bistorta amplexicaulis um eine Staude handelt, die in absonnigen Talwiesen, hanglagigen Mischwäldern und Waldrändern im Himalaja und benachbarten Regionen in Höhenlagen zwischen 1200 und 4800 Metern vorkommt. Das große Verbreitungsgebiet der Art erstreckt sich von Zentral-China über Tibet, Bhutan, den Norden Indiens, Nepal, Nord-Pakistan bis in den Nordosten Afghanistans. Dabei werden zwei Varietäten beschrieben: Bistorta amplexicaulis var. amplexicaulis blüht rosa bis weiß und kommt vor allem in niederen Lagen vor, während die kräftig karmin- bis rubinrot blühende Bistorta amplexicaulis var. speciosa meist in Höhenlagen zwischen 2500-4000 Metern verbreitet ist. Beide Varietäten werden offizinell genutzt. Dem Sud aus den Wurzeln der Pflanzen wird schleimlösende und abführende Wirkung attestiert. Er wird vor allem bei Magenbeschwerden verabreicht.

Bereits die in der Natur vorkommenden Formen deuten das Farbspektrum des heutigen Gartensortiments an. Durch intensive Auslese- und Züchtungstätigkeit, sind in der jüngeren Vergangenheit zahlreiche neue Klone mit klareren und bisweilen auch intensiveren Blütenfarben sowie verschiedenen Höhen und Wuchscharakteren entstanden. Es ist vor allem das Verdienst belgischer Züchter wie Chris Ghyselen und Jan Spruyt sowie deren niederländischen Kollegen Coen Jansen und Piet Oudolf, dass das einst sehr überschaubare Sortiment, das bis zu Beginn dieses Jahrhunderts eher ein Schattendasein führte, mittlerweile derart formenreich geworden ist. Die hohe Fertilität zahlreicher Formen ist bisweilen lästig, wenn es darum geht Sortenbestände echt zu erhalten, und erfordert gelegentliches Jäten von Sämlingen in Pflanzungen, sie begünstigt jedoch die Entstehung neuer Sorten. Mag sein, dass das maritim geprägte Klima Belgiens und Hollands die Arbeit mit den Kerzenknöterichen erleichtert, doch gaben die Hinwendung zu einer mehr naturalistischen Staudenverwendung und der Wunsch nach pflegearmen Pflanzungen wohl die entscheidenden Impulse für die Beschäftigung mit Bistorta amplexicaulis. Hat bei vielen Auslesen wohl der Zufall Regie geführt, so sind vor allem von Chris Ghyselen gezielte Züchtungen durchgeführt worden. Sehr früh, aber nicht überaus lange blühende Sorten mit breiten Blütenähren wie beispielsweise ‘Black Adder‘ oder ‘Dikke Floskes‘ enthalten wohl auch Bistorta vulgaris-Gene (Synonym Persicaria bistorta). Einen unangenehmen Nebeneffekt zeigen diese Hybriden jedoch: Ihre bodennahen Blätter verbräunen bereits zur Blütezeit. Trotz imposanter Blütenwalzen wurden diese Sorten in der Sichtung daher als entbehrlich eingestuft, zumal sie auch etwas krankheitsanfällig sind. Wie bei einigen anderen Sorten können pilzliche Erreger wie Phyllosticta polygonarum und Bostrichonema polygoni, vor allem aber Spinnmilben, die besonders in trocken-heißen Perioden auftreten, unschöne braune Blattflecken verursachen. Frische bis feuchte Bedingungen sowie absonnige bis sonnige, kühle Lagen auf nährstoffreichem Lehmboden bieten den Kerzenknöterichen beste Entwicklungsmöglichkeiten. In der Sichtung erhielten die aufgepflanzten Bestände daher bei Bedarf zusätzliche Wassergaben.

Boniturbogen

Für jedes Sichtungssortiment wird eigens festgelegt, welche Kriterien bewertet und wie diese bei der Endauswertung gewichtet werden. Den Boniturbogen zur Bewertung der Bistorta-Formen finden Sie hier zum Herunterladen als pdf-Datei.

Datenbank

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