Rodgersia-Sichtung
Informationen zur Sichtung
Schaublätter sind ornamentale Blattschmuck- und in einigen Formen ebenso ansehnliche Blütenschmuckpflanzen des lichten Schattens. Dass die eindrucksvollen Stauden keine Verkaufsschlager sind, mag daran liegen, dass die langlebigen Pflanzen sich nicht so recht in gängige Vermarktungskonzepte zwängen lassen und von Gärtnern und Verwendern ob ihres langsamen Wachstums Geduld abverlangen. Nomenklatorische Wirrungen und ein bisweilen legerer Umgang bei der Benennung von Arten und Sorten im Handel tragen allenfalls zu Verunsicherung, nicht jedoch zu einer größeren Nachfrage nach den herrschaftlichen Gestalten bei.
Bereits 1999 wurden etwa 20 Taxa aus unterschiedlichen Bezugsquellen an der Fachhochschule in Erfurt zur Prüfung der Sortenechtheit aufgepflanzt. Mehrere der insgesamt knapp 40 Einsendungen stellten sich als Fehllieferungen oder als heterogenes Typengemisch heraus. So war im Laufe der Sortimentsüberprüfung keine unter den Bezeichnungen Rodgersia pinnata 'Superba', Rodgersia podophylla 'Pagode' und Rodgersia 'Irish Bronce' gelieferten Pflanzen als echt zu identifizieren. Zumindest bei den älteren Sorten scheinen Sämlingsnachkommen die ursprünglichen Sorten nahezu vollständig verdrängt zu haben. Der Gartenwert dieser und zahlreicher anderer Sorten, die zwar in Publikationen und Sortenlisten der Staudengärtnereien auftauchen, aber nicht zu beschaffen waren, konnte somit nicht eruiert werden.
Die Beurteilung des Gartenwerts erfolgte von 2007 - 2011 in Erfurt, Höxter, Hohenheim, Wädenswil und Weihenstephan. Blüten- und Blattschmuckwirkung, Reichblütigkeit, Standfestigkeit, Widerstandsfähigkeit gegenüber Krankheiten und Schädlingen sowie Vitalität der Pflanzen waren die wichtigsten Prüfkriterien. Nach Abschluss der Sichtung wurden die Sortimente von der Staudengärtnerei Manig, Uebigau, und Zillmer-Jungpflanzen, Uchte, erworben.
Informationen zur Pflanzengruppe
Nomenklatorische Überprüfung
Folgt man den neueren taxonomischen Erkenntnissen von PAN und CULLEN so umfasst die Gattung Rodgersia die fünf Arten Rodgersia podophylla, Rodgersia pinnata, Rodgersia aesculifolia, Rodgersia sambucifolia sowie Rodgersia nepalensis. Diese Auffassung bildet die Grundlage für die Zuordnung der Sichtungspflanzen. Rodgersia henricii ist demnach nicht als eigene Art zu betrachten, sondern eine Varietät von Rodgersia aesculifolia. Allerdings werfen die höchst unterschiedlichen unter der Bezeichnung Rodgersia henricii von den Gärtnereien angebotenen Pflanzen die Frage auf, ob diese nicht auf Bastardierung zwischen Rodgersia aesculifolia und Rodgersia pinnata zurückzuführen sind. Die Vermehrung durch Aussaat von "Rodgersia henricii" würde dann die starke Heterogenität der Pflanzenbestände des Handels erklären.
Die von Gärtnern als "Rodgersia purdomii" bezeichnete Art wurde laut DUNLOP (2001) von Botanikern nie beschrieben. Aufgrund der Ähnlichkeit der Pflanzen mit Rodgersia aesculifolia ist die Gartenform sinniger Weise als Sorte des Kastanienblättrigen Schaublatts zu führen und vegetativ zu vermehren. Von der Art unterscheidet sich die weiß blühende 'Purdomii' vor allem durch einen kupferfarbenen Austrieb. Dieser ist bei der Sorte 'Werner Müller' noch etwas dunkler, anfänglich nahezu kaffeebraun gefärbt. Rosa Blütenknospen sowie anfangs zartrosa Blüten und etwas breitere Blättchen sind weitere Unterschiede zu 'Purdomii'.
Von den geprüften Sorten lassen sich nur wenige unmittelbar einer Art zurechnen. Bei den meisten der beobachteten Spielformen handelt es sich um Pflanzen hybriden Ursprungs. Blattformen und Blütenstände legen den Schluss nahe, dass an ihrer Entstehung mehrere Arten beteiligt waren. Sie werden daher nur unter ihren Sortenbezeichnungen aufgelistet und keiner Art zugeordnet. Wenngleich die von Offenthal vorgeschlagene Einordnung dieser Kulturformen in die Henricii-Gruppe im Hinblick auf die langjährige Verwendung des Epithetons henricii nachvollziehbar erscheint, wird diese hier nicht aufgegriffen, da die Verwendung des Epithetons auf Rodgersia aesculifolia var. henricii beschränkt bleiben sollte. Um die Eigenschaften der Sorten zu erhalten, sollten diese ausschließlich vegetativ durch Rhizomschnittlinge oder Teilung vermehrt werden. Mit Ausnahme der interspezifischen Hybriden können gärtnerisch übliche Absaaten von Auslesen einer Art unter der jeweiligen Artbezeichnung – jedoch ohne Sortenname! – gehandelt werden.
Die Bewertung der Sorten
Viele Rodgersia-Formen sind ausgezeichnete Gartenpflanzen für den lichten Schatten, unabhängig ob dieser von Gehölzen oder Baulichkeiten verursacht wird. Sie bevorzugen einen lockeren, nährstoffreichen Boden mit einem hohen Anteil organischer Substanz. Für gutes Wachstum ist eine gleich bleibend hohe Boden- und Luftfeuchtigkeit nötig. Dies gilt insbesondere für Rodgersia podophylla, die im Gegensatz zu anderen Arten in der Natur ausschließlich an schattigen Stellen vorkommt, und dieser Art zuzuordnenden Sorten, deren Blätter in Trockenperioden und bei direkter Sonneneinstrahlung alsbald starke braune Blattnekrosen zeigen. Gegenüber diesem Formenkreis und auch allen weiteren Arten erweisen sich die Sorten hybriden Ursprungs als wesentlich sonnenverträglicher. So wiesen 'Die Schöne', 'Die Stolze', 'Die Anmutige', 'Spitzentänzerin' und 'White Feathers' auch bei höherer Einstrahlung allenfalls geringfügige Verbrennungen auf. Diese Sorten treiben erst Mitte Mai und damit später als die Formen von Rodgersia podophylla, Rodgersia aesculifolia und Rodgersia sambucifolia aus. Die Gefahr, dass ihre Blätter durch Spätfröste geschädigt werden, ist dadurch gering. Spätfrostschäden führen zu unansehnlichen Degeneration der ganzen Blattspreiten, die im weiteren Vegetationsverlauf jedoch von einem zweiten Austrieb überwachsen werden.
Prüfkriterien während der Sortimentssichtung waren der Gesamteindruck der Pflanzen, deren Gesundheit, Wüchsigkeit und Standfestigkeit sowie ihr Überwinterungsverhalten. Ferner wurden Blatt- und Blütenschmuckwirkung sowie die Reichblütigkeit beurteilt. Mit Ausnahme eines anfänglichen Dickmaulrüsslerbefalls, der erfolgreich mit Nematoden bekämpft wurde, war über die Sichtungsjahre hinweg kein Krankheits- und Schädlingsbefall zu diagnostizieren. Die handelsüblichen Arten (Rodgersia podophylla, Rodgersia aeculifolia und Rodgersia sambucifolia) wurden zwar aufgepflanzt und beobachtet, aufgrund ihrer Variabilität hinsichtlich des Aussehens und der Eigenschaften der Individuen vom Arbeitskreis Staudensichtung jedoch nicht abschließend bewertet. Ungeachtet dessen erweisen sich einzelne Pflanzen der jeweiligen Arten durchaus als verlässliche und langlebige Gartenschätze.
Viele der gesichteten Sorten entwickelten sich an den einzelnen Sichtungsstandorten zu überaus ansehnlichen Pflanzen, wobei vor allem die von Ernst Pagels ('Die Anmutige', 'Die Schöne', 'Die Stolze') und Ralf Offenthal ('White Feathers') erzielten Hybriden nicht nur mit dekorativen Blättern, sondern auch mit schönen Blütenständen beeindrucken. Dies trifft in gleicher Weise für eine Form mit unbekannter Herkunft zu, die fälschlicher Weise als Rodgersia pinnata 'Superba' geliefert wurde. Die Pflanzen wurden aufgrund ihrer von Anfang an überzeugenden Wirkung weiter beobachtet und mit Blick auf ihre auffallenden spitzen Blattzähne, die Rodgersia podophylla als einen Elternteil vermuten lassen, als 'Spitzentänzerin' benannt. Da alle genannten Hybriden, die etwas später als die anderen Formen blühen, zu ihrem schmuckvollen Erscheinungsbild gut wüchsig, anpassungsfähig und sehr gesund sind, wurde ihnen die bestmögliche Bewertung zugesprochen. Sie verdienen in Gärtnereien und von Verwendern eine wesentlich stärkere Beachtung als ihnen bisher zukam. Ebenfalls ausgezeichnete Pflanzen für Garten- und Parkanlagen sind Rodgersia sambucifolia 'Rothaut', die durch tiefrote Blattstiele und Blütenstängel ins Auge fällt, sowie Rodgersia aesculifolia 'Werner Müller', die nach sehr dunklem Austrieb allmählich vergrünt. Letztgenannte Sorte sollte vor direkter Sonneneinstrahlung geschützt werden, da sonst starke Blattnekrosen auftreten können. Das gilt in gleichem Maße für die Sorten von Rodgersia podophylla, von denen 'Smaragd' grün und 'Rotlaub' dunkel rotbraun austreiben. Die Braunverfärbung verliert sich mit Fortgang des Jahres. Beide als sehr gut bewertete Sorten sind am zusagenden luft- und bodenfeuchten Standort prachtvolle Blattschmuckstauden. Ihre Blütenstände hingegen sind weniger ansehnlich.
Verwendete und weiterführende Quellen:
AKIYAMA, S., OHBA, H. und WAKABAYASHI, M., 1990: Notes on the interspecific relationship in the genus Rodgersia (Saxifragaceae). Journal of Japanese Botany 65, 328-338.
DUNLOP, G., 2001: William Purdom's Rodgersia. The New Plantsman 8, 218-223.
OFFENTHAL, R. in JELITTO, L., SCHACHT, W. und SIMON, H. (Hrsg.), 2002: Die Freiland-Schmuckstauden. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart, 5. Auflage.
PAN, J. T. und CULLEN, J., 2001: Rodgersia. Flora of China 8, 272-274.
Boniturbogen
Für jedes Sichtungssortiment wird eigens festgelegt, welche Kriterien bewertet und wie diese bei der Endauswertung gewichtet werden. Den Boniturbogen zur Bewertung der Rodgersia-Formen finden Sie hier zum Herunterladen als pdf-Datei.