Brunnera - Sichtung

Brunnera-Sichtung

Informationen zur Sichtung und zur Pflanzengruppe

Brunnera - blühende Blattschmuckpflanzen

Die nach dem Schweizer Botaniker Samuel Brunner benannte Gattung Brunnera umfasst insgesamt drei Arten. In den Gärten werden vornehmlich Brunnera macrophylla sowie deren Sorten verwendet. Weiterhin ist seit einigen Jahren Brunnera sibirica im Handel erhältlich, ohne dass diese Art bisher große Bedeutung erlangt hätte. Brunnera orientalis wird in Mitteleuropa nicht kultiviert. Brunnera macrophylla wurde 1801 im Kaukasus vom deutschen Naturforscher Michael Friedrich Adams entdeckt und beschrieben. Die Art wächst in Wäldern und Berghängen der subalpinen Zone. Als Zierpflanze wurde sie zu Beginn des 19. Jahrhunderts eingeführt. Größere Bedeutung erlangte das Großblättrige Kaukasusvergissmeinnicht jedoch erst ein Jahrhundert später, als Stauden mehr und mehr in den Blickpunkt der Gartengestaltung rückten. Der Artbeiname macrophylla verweist treffend auf die großen herzförmigen Blattspreiten. Die im Englischen für diese Art häufig verwendete Bezeichnung Sibirian Bugloss ist hingegen irreführend. Sie würde viel besser zu Brunnera sibirica passen, die von West- und Zentralsibirien bis in die Taimyr-Region verbreitet ist.

Erste Auslesen von Brunnera macrophylla bereicherten bereits in den 1960er Jahren die Sortimente der Staudengärtnereien. Aber erst als um die Jahrtausendwende Sorten mit auffällig silbrig-weiß gezeichneten Blattspreiten wie ‘Silver Lace‘ und ‘Jack Frost‘ eingeführt wurden, erhielt die Gattung so viel Aufmerksamkeit, dass in der Folge mehr und mehr Züchtungen entstanden, die nunmehr auch in den Fokus von Zierpflanzenproduzenten gerieten. Mittlerweile ist das Sortiment stattlich gewachsen, was 2018 Anlass für den Beschluss des Arbeitskreises Staudensichtung war, die in den Gärtnereien verfügbaren Formen auf ihren Verwendungswert in Gärten und Grünanlagen zu prüfen. 2019 wurden daraufhin in Bonn, Ellerhoop, Erfurt, Hohenheim, Weihenstephan, Weinheim und Wien 20 Varianten von Brunnera macrophylla sowie Brunnera sibirica zur Sichtung aufgepflanzt. Bewertet wurden Überwinterungsverhalten, Reichblütigkeit, Blütenschmuckwirkung, Blattschmuckwirkung zur Blütezeit und im Spätsommer, die Vitalität der Pflanzen, der Gesamteindruck zur Blütezeit und im Spätsommer sowie mit höherer Gewichtung die Widerstandsfähigkeit gegenüber Krankheiten und Schädlingen. Um zu testen, wie sich Rückschnitt auf Aussehen und Blattgesundheit auswirkt, wurden jeweils drei von den sechs an den Sichtungsstandorten pro Sorte aufgepflanzten Exemplaren nach der Blütezeit bodennah zurückgeschnitten. Bei den anderen drei Pflanzen wurde auf den Nachblüteschnitt verzichtet. Im Rahmen der Koordinierungssitzung des Arbeitskreises im September 2023 in Graz wurden die Sorten abschließend bewertet.

Grünlaubige Brunnera

Die Züchtung konzentriert sich auf die Auslese von Formen mit auffällig gezeichneten Blattspreiten. Grünlaubige Varianten spielen derzeit bei der Selektion neuer Sorten keine Rolle. Ältere Blütenschmuckformen wie die von Foerster 1961 eingeführte ‘Blaukuppel‘ sind im Handel kaum mehr echt erhältlich. Scheiden Typen mit auffallenden Blattzeichnungen für die Verwendung in Pflanzungen aus, bleiben als Alternativen letztlich nur die Verwendung der Arten oder der Einsatz der weiß blühenden ‘Betty Bowring‘. Brunnera macrophylla ist dabei eine bewährte Wildstaude, die eine beachtliche Konkurrenzkraft entwickelt. Sie wächst horstartig und lässt sich gut in artenreiche Pflanzung einfügen. Die Art neigt zur Selbstaussaat. Erscheinen Sämlinge in unerwünscht großer Zahl, sollten diese frühzeitig gejätet werden. In lichten Gehölzbeständen und am habschattigen Gehölzrand findet das Großblättrige Kaukasusvergissmeinnicht zusagende Wuchsbedingungen. Die Art ist nicht wählerisch und verträgt bei ausreichender Bodenfrische auch etwas Sonne.  ‘Betty Bowring‘ blüht strahlend weiß. Die gut bewertete Sorte vermag schattige Szenarien mit ihrem hellen Flor aufzuhellen, ist aber etwas weniger anpassungsfähig als die Art. Die ebenfalls weiß blühende ‘Marley's White‘ erwies sich auf den Prüfflächen als überaus wuchsschwach und fiel an allen Standorten alsbald aus. ‘Langtrees‘ zeigt nur kleine silbrig-weiße Blattaufhellungen und wird bei flüchtiger Betrachtung nahezu als grünlaubig wahrgenommen zumal die Flecken mit zunehmender Vegetationszeit etwas weniger prägnant erscheinen. Die ältere Auslese bleibt jedoch bezüglich Wuchskraft und Schmuckwirkung hinter den bestbewerteten Sorten zurück.

Brunnera sibirica blüht und verblüht einige Tage vor Brunnera macrophylla. Die Blüten des Sibirischen Kaukasusvergissmeinnichts sind geringfügig heller als die der vertrauteren Art Brunnera macrophylla. Das Sibirische Vergissmeinnicht bildet auf lockeren, humusreichen Böden reichlich Ausläufer und entwickelt größere Bestände. Schwachwüchsige Pflanzen in der Nachbarschaft werden leicht verdrängt. Zusammen mit anderen urwüchsigen Stauden wie Epimedium x perralchicum ‘Fronleiten‘, Trachystemon orientalis oder Lamiastrum galeobdolon vermögen sie pflegeleichte Pflanzungen zwischen Gehölzen zu begründen.

Sorten mit silbrig-weißer Blattzeichnung

Mittlerweile steht für die Gestaltung lebhafter Schattenpflanzungen eine Reihe von teilweise sehr ähnlichen Selektionen von Brunnera macrophylla mit auffällig silbrig-weißen Blattaufhellungen zur Verfügung. Anders als bei den Arten verbessert der Rückschnitt nach der Blüte die sommerliche Blattschmuckwirkung bei allen geprüften Sorten. Die Blätter wirken frischer und bleiben länger ansehnlich. Allerdings hat es den Anschein, dass die Pflanzen aufgrund des Rückschnitts im Folgejahr etwas weniger reich blühen und geringfügig niedriger bleiben. Von überragender Wüchsigkeit sind die beiden an allen Standorten am besten beurteilten Sorten ‘Alexander‘s Great’ und ‘Silver Heart‘. Es sind äußerst reich blühende Varianten, die, gleichgültig ob geschnitten oder nicht, die gesamte Vegetationsperiode über mit einem sehr attraktiven Blattschmuck aufwarten. ‘Alexander’s Great‘ entwickelt ihrem Sortennamen entsprechend bis zu 50 cm hohe und mindestens ebenso breite Blatthorste. Es ist das derzeit starkwüchsigste Kaukasusvergissmeinnicht. Seine großen herzförmigen Blattspreiten sind silbrig weiß gefärbt. Sie werden von kräftigen, dunkelgrünen Adern durchzogen. Weniger grün erscheinen die Blattflächen von ‘Silver Heart‘. Ihre rundlichen bis herzförmigen silbrig-weißen Blätter zeigen ein zarteres grünes Adernetz. Ebenfalls als ausgezeichnete Sorten wurden ‘Jack Frost‘ und ‘Jack of Diamonds‘ prämiert. Auch diese sind zwei sehr vitale und gesunde Züchtungen, die etwas kleiner bleiben, sich sonst aber nur unwesentlich von den vorigen Sorten unterscheiden. Während ‘Jack Frost‘ herzförmige Blätter mit einer ähnlichen Zeichnung wie ‘Alexander’s Great‘ hervorbringen, sind die Blattspreiten von ‘Jack of Diamonds‘ etwas rundlicher und sehr prägnant grün geadert. Die unteren Blattsegmente überlappen sich und verdecken so die Blattstiele. Ein bodennaher Rückschnitt der Pflanzen nach der Blütezeit verbessert das Aussehen dieser Züchtung im weiteren Jahreslauf erheblich. Für Laien dürften die marginalen Unterschiede im Aussehen der besten Sorten wenig relevant sein, sodass selbst Staudengärtnereien mit breitem Sortiment wohl kaum alle vier hervorragend bewerteten Sorten kultivieren werden. Und da sind ja mit ‘Sea Heart‘ und ‘Queen of Hearts‘ zwei weitere sehr gut bewertete Sorten, die den vorgenannten nicht unähnlich sind. Wenn diese beiden Auslesen nach der Blüte zurückgeschnitten werden, sind sie in den ersten Jahren nach der Pflanzung im Sommer ebenso hübsch anzusehen wie ‘Jack Frost‘ und ‘Jack of Diamonds‘. Zum Ende der Sichtungsperiode verloren beide Sorten deutlich an Wuchskraft. Sie sind auch empfindlicher gegen Sonneneinstrahlung als die bestbewerteten Formen. ‘Mister Morse‘ bringt weiße Blütenstände hervor. Die Blüten sind jedoch klein und verbleiben beim Abblühen lange an den Stielen, sodass der Flor nicht überzeugen kann. Die Kombination von weißem Blütenschmuck und silbrig-weiß marmorierten Laub dürfte jedoch Pflanzenenthusiasten gefallen, sodass die Selektion als Liebhaberpflanze bewertet wurde. In diese Kategorie wurden auch ‘Looking Glass‘ und ‘Silver Wings‘ eingruppiert. ‘Looking Glass‘ ist derzeit die Sorte mit dem geringsten Grünanteil auf den Blättern. Bis auf einen schmalen Rand sind die Blattspreiten nahezu vollständig silbrig-weiß. Die keinesfalls starkwüchsige Selektion ist sehr empfindlich gegen jegliche Sonneneinstrahlung. Nur auf besten humusreichen und lockeren Böden im ganztägig lichten Schatten lassen sich schöne Bilder mit ihr arrangieren. ‘Silver Wings‘ bringt stumpfgrüne Blätter hervor, die zum Rand zu undeutlich silbriggrau aufgehellt sind. ‘Emerald Mist‘ und ‘Marley’s White‘ komplettieren den Reigen der Sorten mit silbrigen Blattaufhellungen. Beide Auslesen präsentierten sich als schwachwüchsig und fielen an mehreren Standorten aus, sodass sie angesichts der Fülle ähnlicher, aber deutlich besserer Varianten entbehrlich sind.

Liebhaberpflanzen mit panaschierten Blatträndern

Breite weiße Blattränder kennzeichnen die Sorte ‘Dawson’s White‘, die häufig unter der Bezeichnung ‘Variegata‘ angeboten wird. Sonneneinstrahlung oder Trockenperioden führen zur Verbräunung der Blattränder, was den Zierwert der Selektion deutlich mindert. Im Kernschatten von Gebäuden gepflanzt und gut mit Wasser versorgt trägt die Liebhabersorte zur Aufhellung von Gartenpartien bei. Die Blattränder von ‘Hadspen Cream‘ sind weniger breit und cremegelb gerandet. ‘Kings Ransom‘ wächst etwas kräftiger. Die Sorte zeigt ebenfalls cremegelbe Blattränder, ferner sind die Blattspreiten grau meliert. Sie werden von einem dunkelgrünen Geflecht aus Blattadern durchzogen.

Krankheiten und Schädlinge

Vor allem auf älteren Brunnera-Blättern sind häufiger braune, von den Blattadern eckig begrenzte Blattflecken zu sehen. Diese werden von Blattnematoden oder Bakterien wie Pseudomonas viridiflava verursacht. Anhand der Symptome ist nicht zu unterscheiden, ob es sich um Blattnematoden oder Bakterien als Ursache handelt. Wüchsigere Sorten können den Nematoden zwar in einem gewissen Umfang davon wachsen, werden aber, wenn Nematoden vorhanden sind, früher oder später auch befallen. Einen großen Einfluss auf den Befall in einzelnen Jahren hat der Witterungsverlauf. Bei trockenen Verhältnissen können die Blattnematoden nicht weiter zu neuen Blättern wandern, da sie dafür einen Wasserfilm benötigen. Junge Blätter zeigen die Symptomatik nur selten. Da der Rückschnitt der Pflanzen nach der Blütezeit im Juni einen Neuaustrieb bedingt, bleiben die Pflanzen länger ansehnlich. Ein zunehmendes Problem sind mancherorts Natternkopf-Blattwanzen, die nicht nur Symphytum, sondern eben auch einige weitere Boraginaceae (Raublattgewächse) befallen. Die Einstiche der Wanzen bedingen kleine unregelmäßige schwarze Flecken. Das angrenzende Gewebe stirbt ab und wird schwarz. Bei starkem Befall verfärben sich bisweilen große Teile der Blattspreiten, die dann wie verbrannt aussehen. Eine Bekämpfung im Garten ist kaum möglich.

Fazit der Sichtung

Die Sichtung Kaukasus-Vergissmeinnicht verdeutlicht, dass es keinen Mangel an Formen mit silbrig-weißen Blattaufhellungen gibt. In diesem Segment gibt es ausgezeichnete, gesunde und verlässliche Selektionen. Mit ‘Sterling Silver‘, Alchemy Pewter (‘TNBRUAP‘)‚ Alchemy Pewter (‘TNBRUAS‘) und ‘Jack’s Gold‘ werden mittlerweile weitere ähnliche Varianten angeboten, die zu Sichtungsbeginn noch nicht verfügbar waren. Optisch versprechen sie wenig Neues. Es wäre daher sinnig, wenn die Züchtung künftig neue Schwerpunkte setzen würde. Hinsichtlich besserer und gesünderer Sorten mit grünem Laub, sterilen Auslesen, gelblaubiger Sorten sowie einer größeren Vielfalt an Blütenfarben gibt es noch ein weites Feld für Verbesserungen im Brunnera-Sortiment.

Boniturbogen

Für jedes Sichtungssortiment wird eigens festgelegt, welche Kriterien bewertet und wie diese bei der Endauswertung gewichtet werden. Den Boniturbogen zur Bewertung der Brunnera-Formen finden Sie hier zum Herunterladen als pdf-Datei.

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